Die Flurnamen meines Heimatdorfes

Abschrift -Verfasser bekannt-

Es ist Sonntag, ein herrlicher Sonnentag im Hochsommer. Nach dem Frühstück tritt mein Großvater an mich heran und fragt, ob ich mit ihm einen Spaziergang durch die Feldmark Armstedts machen wolle. Ich willige ein, denn dieser Spaziergang kommt mir sehr gelegen, da mein Opa bestimmt viel über die Flurnamen zu berichten weiß. So machen wir uns auf den Weg.

 

 

Kaum haben wir den Hof verlassen, da weiß mein Großvater schon etwas über den Weg, der an unserem Haus vorbeiführt, zu erzählen. „Dieser Weg ist früher einmal die Dorfstraße gewesen“, beginnt er. „Siehst du dort die Kurve, die der Weg beschreibt? Man könnte fast annehmen, dass es der Ellenbogen eines Armes wäre. So hat man der Siedlung, die damals an dieser Stelle lag, den Namen Armstedt gegeben. (Anm. der Abschrifterstellung: es gibt auch eine andere Version der Namensfindung) Hier wurden früher auch die Ochsen von Dänemark nach Hamburg getrieben.“ „Davon habe ich schon gehört, es ist das erste Geschichtliche, was ich in der Schule lernte“, fügte ich hinzu.

So marschierten wir diesem Weg folgend, durch den sonnigen Tag. Links und rechts von uns erhoben sich die grünen Flächen der „Huuskoppeln“ (Hauskoppeln). Nach einiger Zeit erreichen wir einen kleinen Höhenzug, der die „Lieth“ genannt wird.

„Am Berghang“, so erklärt Opa mir, „werden die Äcker Bergkoppeln genannt.“ Nachdem wir die Bergkoppeln, so heißen sie im Hochdeutschen, überquert haben, versperrt uns das Wasser der Au den Weg. „Hier ist der Schatfurt“, beginnt mein Großvater. „Früher führte eine Schaffurt durch den Bach, durch den die Schafe getrieben wurden. Heute erleichtert eine Brücke, wie hier zu sehen ist, das Überqueren der Au. Nebenan liegen die Felder, die Vossberg genannt werden. Hier sollen früher einmal groß angelegte Fuchsbauten vorgekommen sein. Lass uns über die Äcker weiter gehen. Dann werden wir bald auf den Weg nach dem Hameln stoßen“, schlägt Opa am Schluss seiner Erzählung vor. Ich befolge den Vorschlag, und bald sind wir bei den Feldern des Hekamps angelangt.

Hierzu meint mein Großvater: „Viele Flurnamen enden mit „–kamp“. „Kamp“ ist eine alte Bezeichnung für Acker und Feld. So gibt es noch mehrere Flurnamen in unserem Dorf, die mit „–kamp“ enden. Als die Felder vermessen wurden, hat man die schon vermessenen Ackerflächen mit Buchstaben bezeichnet. Diesen „Kamp“ bezeichnete man mit „H“.“

Weiter geht die Wanderung. Wieder müssen wir die Au überqueren. Wir müssen mit einer Behelfsbrücke vorlieb nehmen, da die alte Brücke der Begradigung der Au zum Opfer fiel.

„Diese alte Brücke, von der wir noch die Reste sehen können, hat einen historischen Hintergrund“, beginnt mein Großvater wieder zu erzählen. „Sie wurde 1916 von russischen Kriegsgefangenen gebaut und hat sich bis auf den heutigen Tag bewährt. Den Namen bekam sie nach den umliegenden Feldern. Es ist die Hamelnbrücke. Hameln, so heißen die umliegenden Felder, ist Schafherde gleichzusetzen. Früher wuchs hier viel Heide. So war es ein idealer Weideplatz für Schafe. Nicht weit von hier verläuft die Grenze zwischen Armstedt und Wiemersdorf. Es ist das letzte Stücke Heide, das dort heute noch vorkommt. Früher wurde sich viel um den Verbandsplatz, so heißt das Stück Heide, gestritten. Die unsrigen Jäger wollten das Jagdrecht dieses Landstückes haben. Die Wiemersdorfer Jäger behaupteten, dass dieses Stück Land zu Wiemersdorf gehöre. Schließlich wurde man sich doch einig, und der Verbandsplatz wurde den Armstedtern zugesprochen.“

Immer weiter geht die Wanderung. Hier und da flieht ein Hase vor uns, Fasanen fliegen davon, und eine Krähe schaut neugierig von einem hohen Baum herunter, Die Sonne steht schon ziemlich hoch am Himmel. Schließlich erreichen wir einen kleinen Wald, der uns reichlich Schatten vor der stechenden Sonne spendet.

„Welchen Namen trägt denn die Wiese, die uns hier zu Füßen liegt?“ frage ich. „Was, das weißt du nicht als Armstedter Junge?“ Schimpft Opa. „Ich kann ja auch mal einen vergessen“, entschuldige ich mich. „Na gut“, meint Opa, „Dann muss ich ihn dir eben sagen. Diese Wiese trägt den Namen Dungeshorst. Ursprünglich hieß es Dunkhorst. Mit „Dunk“ wurde früher eine Wasserpflanze bezeichnet, die heute den Namen Wasserschierling trägt. Da dieses Feld am kleinen Bach liegt und im Bach sehr viel Wasserschierling wächst, wie man sieht, trägt diese Wiese ihren Namen zurecht. Diesen Wald nennen wir, wie du weißt, Hainholt. Er besteht zum größten Teil aus Hainbuchen. Früher waren es noch mehr. Da die Hainbuchen in Schleswig-Holstein sehr selten vorkommen, hat man diesen Wald als Hainwald bezeichnet. Wir sagen zu Wald Holt. So ist aus Hainwald Hainholt geworden.

 

Aber nun wird es Zeit, dass wir uns nach Haus begeben, denn es ist schon kurz nach zwölf. Wir gehen durch diesen Wald. Dann werden wir auf die Bultwiese stoßen, und von dieser wird es dann ja nicht mehr weit nach Hause sein. Kurz will ich noch etwas über die Bultwiese sagen. Hier hat man mit Vorliebe Bülte gestochen. Unter Bülte versteht man Grassoden. Man brauchte früher diese, um hohe Wälle gegen heranstürmenden Wenden bauen zu können. In unserer Nähe waren damals zwei Fliehburgen, nämlich die Valdera-Burg und die Willenscharener Burg. Aus der Valdera-Burg ist das heutige Neumünster hervorgegangen. Wenn wir die Bultwiese hinter uns gebracht haben, liegen nur die Felder des O-Schlages vor uns. Diese Weiden wurden bei der Vermessung mit dem Buchstaben O bezeichnet. Schlag ist eine alte Bezeichnung für ein Stück Land.“

So verfielen wir in Eilschritt, denn der Hunger machte sich auch schon bemerkbar. Gleich nach dem Mittagessen wollten wir uns wieder auf den Weg machen. Kurz wurde noch zu Hause berichtet, was wir Neues in der Feldmark entdeckt hatten, und dann ging es, frisch gestärkt, wieder los.

Wir verließen das Dorf auf der Ostseite. Diesen Teil des Dorfes nennen wir Kloster. Die anliegenden Wiesen heißen, nach dem Ortsteil benannt Klosterwiesen.

„Du, sag mal, wie ist es eigentlich zu dem Namen Kloster gekommen?“ frage ich Großvater. „Man könnte meinen, dass früher einmal ein Kloster in Armstest gestanden hätte. Diese Vermutung trifft aber nicht zu. Früher gehörte dieser Teil des Dorfes und die umliegenden Gebiete zu dem Kloster in Itzehoe.“ „Also hat der Bauer Vock einmal zum Kloster Itzehoe gehört?“ werfe ich ein. „Stimmt“, sagt Opa und fährt fort: „Die Wiese, die dem Haus dort gegenüberliegt, hat noch einen besonderen Namen bekommen. Da hier sehr viel Siek wächst, hat sie den Namen Siekwiese erhalten. Siek ist ein hartes Gras, das nicht so viel Nährstoffe enthält wie andere Gräser.“

Wir nehmen gleich den ersten besten Weg, der uns aus dem Dorf führt. Nach einiger Zeit erreichen wir den Diekpol. Es ist ein Teich, der von einer Quelle genährt wird. An den Ufern ist er dicht mit Schilf bewachsen, so dass wir allerlei Getier aufscheuchen, als wir näher herantreten. Das Wasser ist sehr klar, dass wir das Tummeln der Fische erkennen können. Nach langem Schweigen erklärt mein Großvater mir, dass auf der anderen Seite des Teiches, die Felder den Namen Diekhornskamp tragen. Sie wurden nach diesem Teich benannt.

An einer Wegabzweigung angekommen, wissen wir nicht, welchem Weg wir folgen sollen. „Gehen wir geradeaus, so kommen wir wieder zum Dungeshorst. Ich glaube, dass es sich mehr lohnen würde, wenn wir hier rechts abbiegen, da am Ende des geradeausführenden Weges nur noch ein Feld liegt, dass ich noch nichtgenannt habe und bei dem wir noch nicht waren. Wegen dieses Feldes wird es sich nicht lohnen, diesen Weg zu nehmen. Das Feld heißt Beverlohe. Früher wurde es Beberlohe genannt. In Beberlohe steckt das Verb „bebern“. Lohe ist ein Feld, das von Büschen eingerahmt wird oder mit kleinen Flächen von Sträuchern durchwachsen ist. Dieses Feld war früher einmal sehr sumpfig. Es beberte, wenn es betreten wurde. Heute ist der Sumpf gänzlich verschwunden.

Diese Koppel dort, die an beiden wegen angrenzt, heißt Moorkoppel. Koppel sagt man zu jeder von Knicks umgebenen Ackerfläche. Um diese Koppeln zu unterscheiden, hat man sie mit Namen bezeichnet. Diese Namen besagen zum größten Teil, wie der Acker beschaffen ist oder sagen aus, wie es früher einmal in der Gegend ausgesehen hat. Wahrscheinlich wird sich an dieser Stelle ein großes Moor erstreckt haben. Man kann es sogar mit Gewissheit sagen, denn die schwarze Erde dieses Ackers beweist, dass es einmal so gewesen sein muss, wie ich eben sagte.

Jetzt haben wir uns aber lange genug bei diesem acker aufgehalten. Nun wollen wir sehen, was die anderen Flurnamen noch in sich verbergen“, meint Opa zum Schluss seiner Erzählung.

Wir gehen nun einen Weg, der sich mit vielen Kurven um die Äcker schlingt. Links und rechts zieren bewaldete Knicks den Weg.

„Liegen rechts von uns die Felder des Diekhornskamp noch?“ frage ich. „Die Felder des Diekhornskamp erstrecken sich bis zum Ende dieses Weges, allerdings nur auf der rechten Seite“, bekomme ich zur Antwort. „Auf der linken Seite folgen der Moorkoppel die Benhornswiese und Benraden. Hier ist die Vorsilbe „–ben“ ein verstümmelter Personenname, der Boye lautet. Es ist der letzte Klosterjäger gewesen. Richtig müssten diese Flurnamen Boyen-Horns-Wiese und Boyen-Rade tragen. Das erste Feld, das ich nannte, gehörte Boye und Horns gemeinsam, das zweite wurde von Boye gerodet. Der Klosterjäger Boye ist im täglichen Leben meist Böge genannt worden. So sind die Flurnamen Bögen-Rade und Bögen-Kohlhof, die an die oben genannten Felder anschließen, auch leicht zu erklären. Beide Felder gehörten Böge, also dem Klosterjäger. Hieran schließen der Hästen und die Auwiesen. Hästen ist eine Verstümmelung von Horstenwald. Hier war früher ein großer Wald, in dem viele Vögel ihre Horst hatten. Zu dem Flurnamen Auwiesch brauche ich wohl nichts zu erzählen, da der Name schon alles besagt.“

Am Ende des Weges stoßen wir auf die Grotkoppel. Bei diesem Namen brauche ich meinen Großvater nicht zu fragen. Überträgt man ihn ins Hochdeutsche, so weiß man, wie die Beschaffenheit des Ackers ist. Wir überqueren nun die Grotkoppel, um auf die neue Straße zu gelangen, die Wiemersdorf mit Armstedt verbindet. Vor zwei Jahren war diese Straße ein sandiger Feldweg. Wir treffen auf die Straße, wo eine Brücke das Überqueren der Fuhlenbek ermöglicht. Wir beugen uns über das Geländer und sehen dem Wasser zu.

„Vor uns liegt der Fuhlenbekskamp, der nach diesem Bach den Namen erhalten hat“, fängt Opa wieder an zu erzählen. „Ich werde nun gleich auch etwas über die anderen Flurnamen sagen, die die Felder zur linken sowie zur rechten Seite der Straße tragen. Ich beginne mit der linken Seite. Das erste Feld von uns aus gesehen, trägt den Namen Fahrenkrog. Die Bezeichnung „Krog“ stammt aus dem Mittelalter. Nur eine aus dem Innern kommende Straße durchstieß die Stadtmauer. In dem Winkel zwischen Straße und Stadtmauer lag meistens ein Wirtshaus. Wirtshaus und Ecke nannte man Krog. Später wurde die Bezeichnung auf alle Wirtshäuser angewandt. Heute wird auch noch vereinzelt Krog zu den Wirtshäusern gesagt. Auch Winkel und Ecken in der Natur nannte man Krog. Der Fahrenkrog liegt zwischen diesem Bach und dieser Straße. Fahren deutet auf Farn hin. Darauf folgt das Feld, das Riepen genannt wird. Dieses Feld wurde mit einem Strick ausgemessen. „Reep“ ist ein plattdeutscher Begriff und würde ins Hochdeutsche übertragen, Strick lauten. Hiernach folgen die Rebenkoppeln. Der Ausdruck „Reben“ bedeutet, dass der Acker, der diesen Namen trägt, mit Büschen durchwachsen ist. Das Gebüsch bestand hauptsächlich aus Eichen. Im Frühjahr wurden die Eichen gefällt, die Rinde vom Stamm gelöst, dann geklopft und schließlich die getrocknete Rinde zu den Gerbereien geschickt. Dies war eine mühselige Arbeit, was du dir vorstellen kannst. Der Acker wurde also nur genutzt, indem man Eichen anpflanzte, um die Rinde zu gewinnen. Heute ist der Acker gerodet und man findet nur noch auf den Knicks Eichen. Dann folgen die Lohkoppeln. Was der Ausdruck „Loh“ besagt, habe ich schon bei dem Flurnamen Beverlohe erzählt. Die Lohkoppeln sind noch in Hunloh und Heidloh aufgegliedert, wobei Heidloh besagt, dass früher auf diesem Feld viel Heide wuchs. Am Ende der Straße liegt dann noch der Wedderrehm.

Das wäre die linke Seite und nun will ich die Flurnamen der rechten nennen. Es beginnt mit dem Deefhof. Eine historische Bedeutung steckt hinter dem Flurnamen. Übersetzen wir den Namen ins Hochdeutsche, so kommen wir zu Diebeshof. Hier wurden Verbrecher abgeurteilt und hingerichtet. Es handelte sich um Ringgerichte. Auf diesem Feld befand sich eine kleine Anhöhe, die so sehr mit Steinen durchsetzt war, so dass das Pflügen unmöglich war. Vor dem ersten weltkrieg hat man die Steine abgefahren. Viele Fuhren wurden aus der Anhöhe herausgeholt. In der mitte wurden eine Anzahl verkohlter Knochen gefunden. Seitdem man diese Knochen fand, kam man zu einer anderen Deutung. Man nahm an, dass hier die jährlichen Kirchfestspiele stattgefunden haben, was man auch sehr bald bestätigen konnte. Nach den neuesten Funden weiß man, dass dem Dorf eine weitaus höhere Bedeutung zukommt.

Der Diebeshof ist die Kultstätte unserer Vorfahren gewesen. Heute ist auf dem Feld nichts mehr davon zu sehen. Nebenbei gesagt: auf diesem Feld liegt der höchste Punkt Armstedts.

Dann folgt der Wensbek (Anm.: Konnte ich nicht lesen). Hierüber kann ich nichts erzählen. Hieran schließen die Felder der Kieskoppeln. Die Beschaffenheit des Ackers spiegelt sich in diesem Flurnamen wieder. So dieses wären die Flurnamen, die zu beiden Seiten der Straße liegen. Aber nun wird es Zeit, dass wir weiter kommen, sonst kommen wir heute nicht durch die Feldmark Armstedts“, schließt Großvater seine Erzählung.

Wir streichen nun an den Feldern vorüber, von denen mein Großvater eben sprach. Nach etwa einer halben Stunde erreichen wir die Hauptstraße. Wir wenden uns südlich (des Dorfes) also in Richtung Bad Bramstedt. Einige Autos begegnen uns.

Rechts von uns liegen die Felder des Zwischenwegen. Eigentlich müssten sie Zwischen-Den-Wegen heißen, da sie zwischen zwei Wegen liegen. Hierauf folgen die Äcker des Akamps. Diese Felder wurden bei der Vermessung mit dem Buchstaben A bezeichnet. Der Flurname hat sich bis zum heutigen Tag erhalten.

„Das erste Feld auf der rechten Seite dieser Straße nennen wir Dweerkoppel“, beginnt mein Großvater seine Erzählung. „Die Koppel verläuft senkrecht zur Straße. So ist es zu verstehen, dass man dieser Koppel den Namen Dweerkoppel gegeben hat (Quer = Dweer). Hierauf folgt der Dornwrieth. Es ist ein Feld, das durch einen starken Weißdorn begrenzt ist. Die Sage berichtet: Wenn die Elster ihr Nest niedrig baut oder der Dorn vergeht, bricht ein großer Krieg aus. Merkwürdigerweise brach der erste Weltkrieg aus, nachdem der Dorn zugrunde gegangen war. Heute steht wieder ein großer Dorn am Rande des Feldes. Die Felder des Mossbek sind die darauffolgenden Koppeln. Wir stehen gerade davor.“

Nachdem wir noch hundert Meter zurückgelegt haben, gibt uns ein kleiner stein an, dass wir uns an der Grenze Fuhlendorfs und Armstedts befinden. Um in der Feldmark Armstedts zu bleiben, wenden wir uns nach rechts. Nachdem wir den Akamp überquert haben, stoßen wir auf den Spitzkamp. „Zerlegt man den Namen, so würde man zu „Spitzen Kamp“ kommen. Dieses Feld läuft in einem spitezn Winkel zwischen der Nachbargemeinde und dem Akamp aus“, fährt Großvater fort. „Auch die drei Felder auf der rechten Seite werden so genannt. Links folgt der Cekamp dem Spitzkamp. Dieses Feld wurde bei der Vermessung mit C bezeichnet, genauso wie Hekamp mit dem Buchstaben H und Akamp mit A bezeichnet wurden. Das sind auch alle Flurnamen, die mit Buchstaben bezeichnet wurden. Das Feld Seheis oder Seheisch, man kann beides sagen, das auf den Cekamp folgt, kann man nur deuten, wenn der Name zerlegt wird. „Se“ ist eine Buchstabenverstümmelung. Heisch oder Heis nannte man früher ein Feld, das mit Büschen bewachsen war. Auf der rechten Seite folgen dem Spitzkamp die langen Stücken.“

Wieder gelangen wir an eine Wegegabelung. Wir müssen uns fragen, wie es weitergehen soll. Mein Großvater meint, dass wir geradeaus weitergehen sollen, denn an dem abbiegenden Weg liegen nur ein paar Felder.

„Ich will sie dir schnell sagen und einige Erklärungen dazu“, beginnt mein Großvater zu erzählen. „Das erste Feld heißt Scharpenhorn. Es ist ein Feld, das in einem spitzen Winkel ausläuft. So wird es auch zu dieser Namensgebung gekommen sein, da „scharp“ „spitz“ und „Horn“ „Winkel“ bedeutet. Hierauf folgt der Glindhörn. „Glind“ ist eine alte Bezeichnung für Grenze und „Horn“ ist auch ein Weg, der im Feld ausläuft. Das wären die Koppeln, die an dem Weg liegen.“

Wir folgen nun dem geradeaus führenden Weg. Rechts liegen immer noch die Felder des Langenstücken, links die des Scharpenhorn. Nachdem wir schnell vorangekommen sind, erreichen wir den Hafkorn. Ihm gegenüber liegen die Schoolkoppeln.

 

 

„Das ist eine lange Geschichte“, beginnt mein Opa seine Erzählung. „Diese Koppeln haben diesen Namen erhalten, weil sie der Schule gehörten. Nun könnte man meinen, dass sich der Lehrer der Schule nebenbei als Landwirt betätigt. Vor fünfzig Jahren war das der Fall. Damals hatte der Lehrer eigene Kühe, die er auf diesen Koppeln grasen ließ. Heute haben Bauern das Land gepachtet. Das Pachtgeld geht jedoch nicht an den Lehrer, sondern die Gemeinde Armstedt nimmt das Geld ein.“ „Demnach müsste der Lehrer früher mehr verdient haben, da er das Geld als Beamter und dann noch die Gelder, die die Landwirtschaft abwarf, bekam“, warf ich ein. „Das trifft nicht zu“, fährt mein Großvater fort. „Damals bekam der Lehrer nur ein geringes Gehalt, von dem er sich und seine Familie nicht ernähren konnte. So musste er sich nebenbei als Landwirt betätigen, um leben zu können. Auch das Moor, das neben den Koppeln liegt, gehörte der Schule. So wurde es Schoolmoor benannt.“

Um wieder auf die Hauptstraße zu gelangen, müssen wir eine Anzahl von Koppeln überqueren. Die Sonne hat sich schon ziemlich weit dem Horizont genähert. Ein Blick auf die Uhr sagt uns, dass es viertel vor sieben ist. So verfallen wir in einen schnelleren Schritt und erreichen bald die Hauptstraße, allerdings nördlich des Dorfes.

„So, nun will ich dir die letzten Flurnamen nennen und die einzelnen Felder ein wenig beschreiben.“, beginnt mein Großvater seine letzte Erzählung. „Wir sind über den Holmbrock gekommen. Holmbrock war früher ein sumpfiger Wald. „Holm“ deutet auf Wald hin und „Brock“ auf Sumpf. Vor unseren Füßen liegt der Höpen. „Höpen“ ist ein typisch plattdeutsches Wort. Die hochdeutsche Bezeichnung würde „Haufen“ lauten. Dieses Feld liegt auf einer Anhöhe des Geländes. Aus der Ferne würde es einem großen Maulwurfshaufen gleichsehen. Der Koppel gegenüber liegt der Mosshorn. Auf der linken Seite der Straße, dem Mosshorn folgend, liegen die Felder des Sommerkornlandes. Hier baute man mit Vorliebe Sommerkorn an. Heute ist dieses Land auch als Hauptstandort des Sommerkorns bekannt. Dann folgen auf der gegenüberliegenden Seite die Felder der Wolfskuhle. Bei diesem Flurnamen erzählt man folgende Sage: Auf diesem Felde hatte man eine Fallgrube zum Fangen der Wölfe angelegt. Es wird weiter erzählt, dass einmal ein Musikant, der in Brokstedt wohnhaft war, in Armstedt zum Tanz aufgespielt hatte. Auf dem nächtlichen Heimweg verirrte sich der Mann. Er hatte wohl auch ein bißchen zu tief ins „Glas“ geschaut, denn plötzlich stolperte er und fiel in die Grube. Vorher hatte sich ein Wolf in der Grube gefangen. Kurz entschlossen holte der Musikant seine Geige aus der Tasche und begann zu spielen. Natürlich wollte er sich von dem eigentümlichen Bewohner kein Trinkgeld geben lasse. Der Wolf hatte jedoch Verständnis für einen Künstler. Er drehte den Kopf etwas und spitzte die Ohren, um der Musik zu lauschen. Am nächsten Morgen fanden die Armstedter das seltsame Paar. Der Musiker spielte noch immer auf seiner Geige, allerdings auf der letzten Saite. Der Musiker wurde gerettet und der Wolf getötet. Nach dieser Geschichte ist das Feld benannt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass die sage erst später von den Leuten in Bezug auf den Flurnamen erzählt wurde.

Hinter diesen Koppeln folgen dann schon die Hauskoppeln.

An der Nordseite des Dorfes heißt noch ein Feld Würen. Früher waren es mehrere Felder. Heute stehen Häuser auf den früheren Feldern. Sie gehörten dem Namen „Wühren“ nach zur Allmende und waren Dorfbesitz. Sie dienten einerseits als Versammlungsplatz der Dorfbewohner, andererseits als Spielplatz der Jugend. Sie waren auch der Weideplatz für die Ziegen der Insten und für die Gänse des ganzen Dorfes.

Ich hoffe, dass du jetzt ein wenig mehr über die Flurnamen Armstedts weißt“, endet Großvater.

 

 

Nach kurzer Zeit erreichen wir das Dorf. Wir gehen die Dorfstraße entlang, an der Schule vorbei, am Denkmal und am Dorfteich. Schließlich kommen wir müde und abgespannt nach Hause.

 

Jahresarbeit aus dem Jahr: ca. 1960